(ung) Werder. Die Mauer ist mittlerweile länger verschwunden als sie Deutschland geteilt hat. Statistisch sind dreißig Jahre eine Menschengeneration. Unter dem Titel „30 – Eine Generation“ werden ab dem 28. März in der neuen Kunst-Geschoss-Ausstellung in Werder (Havel) Fakten, Fragmente, Fotografien und natürlich auch Kunst gezeigt, die die Stadt vor und nach 1989 darstellen. „Es handelt sich um eine Exkursion in die jüngere Geschichte von Werder (Havel), die zeigt, wie die Werderaner die Geschicke im Wendejahr 1989 und mit der ersten freien Kommunalwahl 1990 selbstbewusst und selbstbestimmt in die eigenen Hände nahmen“, so Kurator Frank W. Weber. Nach dem „nicht zu toppenden Event zum 20-jährigen Jubiläum in der Heilig-Geist-Kirche mit Konzert & Co.“ entschied sich Weber ganz lokal an das Thema heranzugehen.
Fakten zu 1989: Nur 50 Prozent der Straße der Stadt Werder sind befestigt. 71 Prozent aller Haushalte hatten Kohlenheizung und eine Zugfahrt mit dem „Sputnik“ dauerte von Werder nach Berlin 80 Minuten – über den südlichen Außenring bis Berlin-Karlshorst oder Ostbahnhof, von dort weiter mit der S-Bahn, aber eben nur bis Friedrichstraße.
In der Ausstellung werden einigen Altstadtaufnahmen für den besseren Vergleich, was in den vergangenen 30 Jahren geschehen ist, aktuelle Aufnahmen aus derselben Perspektive gegenübergestellt, die der Fotograf Jürgen Steinberg eigens für die Ausstellung erstellt hat. Ergänzt wird die Schau mit „Wandzeitungen“ zur Gründung des Neuen Forums in Werder und dem ersten Runden Tisch. „Als am 29. Oktober 1989 im Werderaner Evangelischen Gemeindehaus die Unterschriften der Gründungsmitglieder des Neuen Forums geleistet wurden, stand noch die Stasi vor der Tür und schrieb die Autonummern auf“, erinnert sich Frank W. Weber, der als städtischer Künstler selbst zu den 21 Unterzeichnern gehörte. Der 1. Beigeordnete Christian Große entdeckte bei der Vorabpräsentation der Ausstellung sogar die Unterschrift seiner Schwester darauf, was ihn sehr bewegte.
Als Besonderheit werden zwei Diashows von DDR-Bildern gezeigt. In der einen Endlosschleife werden Aufnahmen der unlängst verstorbenen Heimatkundelehrerin Ilse Hahn gezeigt, die sie 1969 für den Unterricht aufgenommen hat. Sie zeigen Werderaner Sehenswürdigkeiten – und deren damaligen Zustand in Farbe. Weitere Fotos mit Stadtansichten aus der Zeit um 1989 in Schwarzweiß hat Frank W. Weber aus dem Stadtarchiv zusammengestellt. Beeindruckende Zeitzeugnisse! Einige Wende-Kunstwerke und Zeichnungen von Weber und das großformatige Gemälde „Zeitenwende“ des Potsdamer Künstlers Wolfgang Liebert (1988/89 in Lieberts Privatbesitz) zeugen von der Stimmung, die damals unter den DDR-Intellektuellen herrschte. Zentraler Bildgegenstand mitten im Bauschutt ist ein offener Vogelkäfig… Außerdem wird ein von Weber gerettetes Transparent gezeigt, dass zur Demonstration in Werder am 3. Dezember 1989 hochgehalten wurde. „Keine Führungsrolle für die SED“, ist darauf zu lesen. Frank W. Weber erinnert sich, wie die Demonstration an jenem nebligen Tag von der Insel zum Stadtbahnhof gezogen ist. „Damals ging es darum, die erreichten Positionen zu sichern und mit den Veränderungen nicht locker zu lassen.“ Viele seiner eigenen Kunstwerke finden sich in der Ausstellung.
Besucher können an einem 10-Fragen-Quiz zur Wendezeit teilnehmen. Hauptgewinn ist die siebenbändige Chronik von Werder (Havel). „Die Ausstellung richtet sich an alle Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt“, sagt Kurator Weber. „Die Altgeneration erkennt die Situation von damals, die Neugeneration bekommt einen Eindruck, wie sich Werder verändert hat – eine Identität fördernde Ausstellung.“
„30 – Eine Generation“ in der Stadtgalerie Kunst-Geschoss, Uferstraße 10, von Donnerstag, 28. März, bis Ostermontag, 22. April, immer Donnerstag, Samstag, Sonntag von 13-18 Uhr geöffnet (nicht am Karfreitag!); Eintritt frei.
Fotos: Fotogegenüberstellungen in der Ausstellung „30“.
Blick von der Uferstraße zur Heilig-Geist-Kirche um 1989. (Foto: Stadtarchiv Werder)
Frank W. Weber neben seinen Zeichnungen „Der Skeptiker“ und „Der Schrei“ vom September 1989.
Christian Große und Frank W. Weber auf der grünen Couch, die einst im Palast der Republik stand, im Hintergrund das Gemälde „Zeitenwende“. (Fotos: Ungerath)