(ung) Werder. Die StadtMitGestalter hatten am 2. März zum Besuch einiger brandneuer und bereits etablierter Kultureinrichtungen in der Eisenbahnstraße in Werder (Havel) geladen. Rund 40 Interessierte, darunter natürlich viele Vereinsmitglieder, waren dem Aufruf gefolgt. Start war am neuen Kulturhof in der Eisenbahnstraße 73. Zu Beginn begrüßte der Vereinsvorsitzende Elmar Schlenke die Anwesenden. Die Betreiber des Tulipa Studios und des Ateliers „Projekt Panama“ gewährten dann dort Einblick in ihre Arbeit. Theaterpädagogin Julia Zimmermann vom Tulipa Theater erzählte, dass die Theaterstätte erst seit September 2018 existiere. Geboten werden Impro-Theater oder Spiel-Clubs für Kinder. Sie berichtete, dass ihre Angebote bereits von Erwachsenen gut nachgefragt seien, bei Kindern und Jugendlichen sei „noch Luft nach oben“. Zimmermann bewarb den Bühnenbildworkshop „Irre leer“ für das Theaterstück „Clara“, der in den Osterferien für Kinder und Jugendliche im Bildhaueratelier von Anne Hölzinger in der Vulkanfiberfabrik stattfindet. Der Workshop ist Teil des Bundesmodellprojekts „Dehnungsfuge – auf dem Lande alles dicht?“. Im Kunstatelier Panama war der freischaffende Kunstmaler Allan Paul zugegen, der sich künstlerisch in zumeist großformatigen Mischtechniken auf verbundenen Leinwänden expressiv „austobt“ und in seiner Malerei seine Gefühlswelt nach Außen transportiert. Gemeinsam mit Nadine Conrad und Julia Brömsel haben sich die Künstler in der Eisenbahnstraße in einer alten Produktionshalle niedergelassen und präsentieren dort an ihrem Arbeitsort ganz unterschiedliche Stilrichtungen und Themen. Vorher waren sie im Rechenzentrum Potsdam kreativ. Im Aufbau sind ein Galerieshop und Artcamps in Potsdam. Paul und Conrad bieten in Werder auch Mal-Kurse an.
Weiter ging es dann ins Comédie Soleil, das sich im einstigen denkmalgeschützten „alten Kaufhaus“ aus den 50er Jahren befindet. Seit April 2013 sind Karoline Hugler und Julian Tyrasa die künstlerischen Leiter des Hauses, Trägerschaft und Verwaltung liegen bei der Stiftung SPI, sozialpädagogisches Institut Berlin „Walter May“. Die ambitionierten Vorgänger unter Michael Klemm, die aus Potsdam nach Werder gekommen waren, erhielten noch keine finanzielle Unterstützung. Die Stadt Werder unterstützt das Theater mittlerweile, indem sie die Miete und andere Betriebskosten übernimmt, und es gibt einen Förderverein. Für die Förderung vom Land Brandenburg müssen jährlich entsprechende Anträge ausgefüllt werden, ansonsten wäre eine Theaterbetrieb nicht denkbar, berichteten Hugler und Tyrasa. Zum Repertoire gehören eigene Stücke und auch Gastspiele im Bereich Kleinkunst. Kita- oder Schulaufführungen sind den Theatermachern sehr wichtig, jedoch können sie eben nicht so kleine Preise anbieten wie die großen Theaterhäuser in Potsdam oder Berlin. Die Schauspieler gaben sogar eine kleine Kostprobe und spielten den Anfang der erfolgreichen eigenen Produktion „Pettersson und Findus“. Als besonderes Schmankerl steht in diesem Jahr ein ganz besonderes Fontane-Projekt an. In Kooperation mit der MS Bismarckhöhe und der Fercher Obstkistenbühne wird es eine Schiffsfahrt von Werder nach Ferch geben. An Bord wird „Fontane auf See“ und in Ferch ein musikalisch-literarisches Fontane-Programm gespielt. Eine Stadtführung mit der Gilde der Stadtführer Werder macht den Anfang. Premiere ist am 25. Mai. Der Kartenvorverkauf startet am 1. April. Aktuell wird im Comédie Soleil „Der große Fantastico“ von Julian Tyrasa gespielt. Die nicht vorhandene Barrierefreiheit im Werderaner Theater wurde für eine teilnehmende Rollstuhlfahrerin deutlich, aber sie wurde kurzerhand von starken Männern die Treppe im Treppenhaus hoch- und wieder runtergetragen. Eventuell ließe sich sogar ein Fahrstuhl einbauen, denn ein alter Lastenaufzugsschacht sei bereits vorhanden, aber dafür müsse dann eben wieder Geld akquiriert werden.
Als nächstes wurden Kulturgarage und die Musikschule Zimmermann besucht. Gabriele Zimmermann bietet in ihrer Musikschule Unterricht für Blockflöte, Gitarre und Klavier. Auch ihre Trommel-Workshops sind sehr beliebt. Gemeinsam mit ihrer Tochter Julia (Tulipa Theater) funktioniert sie seit nunmehr fünf Jahren für einige Wochen im Sommer die eigene Garage in die sogenannte Kulturgarage um. Saisonstart ist am 10. Mai. Unterschiedliche Künstler geben dort Konzerte, es gibt Lesungen, Frühschoppen und es wird miteinander gesungen. Ein Ort von ganz besonderem Flair, getragen von ganz liebenswerten kulturbegeisterten Menschen.
Letzte Station des Kulturspaziergangs war der denkmalgeschützte Kulturpalast Scala aus den 40er Jahren, die einstigen „Fontane-Lichtspiele“. Das Musikfestival „Werder klingt“, diesmal sogar im Lichtspiel, war jüngst wieder ein schöner Erfolg, und wir drücken die Daumen, dass die kurz nach Ankündigung des Stadtspaziergangs durch die StadtMitGestalter erfolgte Absichtserklärung der Stadt Werder, das Haus vom Besitzer erwerben zu wollen, in die Tat umgesetzt werden kann und Geschäftsführer Gösta Oelstrom seine 2015 erfolgreich begonnene Kulturarbeit mit Erhalt des Kinobetriebs fortsetzen kann. Gegründet hat sich mittlerweile der „Freundeskreis Scala Kulturpalast, Werder e.V.“ und die Vorführtechnik ist mit 3D-Technik und Dolby Surround auf dem neuesten Stand. Das Haus ist natürlich sanierungsbedürftig, verschlingt hohe Kosten für Strom und Gas und es gibt Innen und Außen noch vieles zu verbessern, aber die Kulturstätte hat sich etabliert. Wer wollte, konnte sich abschließend noch einmal die alten Werder Filme des Goldschmieds Alfons Link aus den 1960er- und 1970er-Jahren anschauen, die in Werders Jubiläumsjahr aufwendig rekonstruiert und von hunderten Zuschauern auch geschaut worden waren.
Fazit: Werder ist allein im Bereich Eisenbahnstraße sehr reich an Kulturstätten und so geballt, wie an diesem frühen Abend bekommen die Werderaner das nicht so schnell wieder geboten. Deutlich wurde, dass das Gros der Einrichtungen einen langen Atem und Förderung braucht.
Eindrücke vom Stadtspaziergang entlang der Kulturmeile. (Fotos: Ungerath)