(ung) Werder. „Mahlzeit“ – so ungewöhnlich der Titel für die aktuelle Ausstellung in der Werderaner Stadtgalerie Kunst-Geschoss, so ungewöhnlich ist auch das Sujet der Fotografen Ingo Kuzia und Walter Schönenbröcher. In der Ausstellung stehen menschliches und tierisches Fress- und Essverhalten im bildlichen Vergleich erläutert Kurator Frank W. Weber. 2013 fotografierte Walter Schönenbröcher erstmals nach einem Arbeitsessen den Tisch im Restaurant. Daraus entstand die Idee für die nun erstmals im Kunst-Geschoss ausgestellte Serie. Es folgten zahlreiche Tische nach dem Mahl, immer in Draufsicht fotografiert und an weltweit völlig verschiedenen Orten auf der Welt, so auf Teneriffa, in Hongkong, London oder New York. Es sei oftmals schwer, das Personal daran zu hindern, das Geschirr und andere Spuren vorzeitig zu beseitigen. Aber ein ordentliches Trinkgeld erleichtere dann die Aktionen. Durch die Fotos liefert Schönenbröcher eine bildliche Soziologie der Nahrungsaufnahme in anderen und eigenen Kulturkreisen. Krass beispielsweise die Tischsitten in Hongkong. Denn die Chinesen spucken Essensreste einfach auf den Tisch, wie ein Foto in der Schau eindrucksvoll offenbart, was Europäer eben höchst befremdlich finden. Walter Schönenbröcher wurde 1964 in Bergisch Gladbach geboren. Er absolvierte ein Studium der Mathematik und Wirtschaftswissenschaft. Nach Lebensstationen in Köln und Berlin lebt er heute glücklich in Cottbus. Neben der Fotografie betätigt sich der IT-Unternehmer auch als Filmemacher.
Die tierische Nahrungsaufnahme und das soziale Fressverhalten seiner schwarzen Katze regte Ingo Kuzia zur Bildserie „Katzenfutter“ an. Als Liebesgaben legte sie ihrem Besitzer von ihren blutigen Jagdzügen Fragmente von kleinen Tieren vor die Tür. Mit äußerstem Detailreichtum und immer gleichem weißen Hintergrund ist es Kuzia gelungen, die tierischen Beutefragmente in seiner Bildserie eine ungeahnte Ästhetik wiederzugeben. Zu sehen sind sorgsam arrangierte Köpfe und Federn von Kohlmeisen oder Rotkehlchen, sogar ein Buntspecht war unter den Opfern, weiterhin ein Frosch oder ein Spitzmaus. Sogar die Pfote eines Eichhörnchens wird so in den Fokus gerückt, mit sichtbaren Hautpartikeln. Ingo Kuzia wurde 1957 in Berlin geboren. Er lebt und arbeitet in Schönwalde und Berlin. Kuzia absolvierte einst ein Studium der Germanistik, Geografie und Publizistik an der FU Berlin und ist seit 1984 freischaffend tätig – als Fotojournalist, Agenturgründer und freier Bildautor. Er ist Mitglied im BVBK Brandenburg und war bereits 2015 an einer Ausstellung im Kunst-Geschoss beteiligt. Mit dem Thema Vergänglichkeit beschäftigt er sich bereits seit einigen Jahren.
Die Ausstellung „Mahlzeit“ ist bis 11. November jeweils donnerstags, samstags und sonntags von 13 bis 18 Uhr im Kunst-Geschoss, Uferstr. 10, zu sehen. Der Eintritt ist frei.
Gleichzeitig wurde in der Galerie am Glas, in der Mitteletage des Schützenhauses, die Ausstellung „Nordland – Norwegische Impressionen“ eröffnet. In dieser Ausstellung sind 15 monochrome Fotografien von Jürgen Steinberg zu sehen – norwegische Idylle nebst Fabriken. Steinberg ist u.a. aktiv im Orphee-Fotozirkel. Die Galerie am Glas ist täglich zu den Öffnungszeiten des Schützenhauses zu besichtigen.
Fotos: Die beiden Künstler neben einem typischen fotografischen Exponat.
Kuzias Eichhörnchenpfote und Schönenbröchers Erinnerung an einen Nachbartisch in Hongkong. (Fotos: Ungerath)